Sofia Gubaidulina
In Memoriam

c SN/Osterfestspiele-Salzburg/F.Hoffmann-la-Roche

Es macht einen Unterschied, ob ich zu einem oder zwei Menschen oder zu einem ganzen Auditorium spreche. Je mehr Menschen ich anspreche, desto einfacher muss ich mich ausdrücken. Am meisten produktiv und informativ ist das Gespräch mit einem einzigen Menschen für mich. Deshalb halte ich die Kammermusik-Literatur für die wichtigste Ebene in der Musik.
(Sofia Gubaidulina in der NMZ)

Geboren 1931 im tatarischen Tschistopol, studierte Sofia Gubaidulina Klavier und Komposition zunächst in der Hauptstadt ihrer tatarischen Heimatrepublik Kasan um anschließend ihre Studien in Moskau fortzusetzen. Den erheblichen Repressalien in der Sowjetunion trotzend - die Ästhetik ihrer Kompositionen gefiel nicht den Vorstellungen des Sowjet-Regimes - wurde die junge Komponistin von Dmitri Schostakowitsch bestärkt, ihren eigenen Weg unbeirrt weiter zu gehen. 1991 schließlich übersiedelte Gubaidulina ihren musikalischen Freunden Alfred Schnittke und Viktor Suslin folgend in die Nähe von Hamburg.

Einen immensen Beitrag zu Sofia Gubaidulinas Berühmtheit ist zweifellos Gidon Kremer zu verdanken.

Getragen von einer tiefen gegenseitigen Wertschätzung brachte und bringt er regelmäßig zahlreiche ihrer Werke zu (Ur)Aufführungen.


„Selten habe ich bei einer Künst­lerin eine solche innere Kraft gefühlt und zugleich das starke Bedürfnis verspürt, ihrer Inspi­ra­tion zu folgen“
Gidon Kremer

Gidon Kremer und Sofia Gubaidulina 1988 in Boston. (aus der Biografie Sofia Gubai­du­linas von Michael Kurtz)

“In dieser Vereinigung der Fingerspitze mit der klingenden Saite liegt die völlige Selbstaufgabe an den Ton. Und ich begann zu begreifen, dass Kremers Thema das Opferthema ist, die Opferung des Musikers in seiner Selbstaufgabe an den Ton.”
(Sofia Gubaidulina über Gidon Kremers Art, auf der Geige zu spielen).

Gubaidulina widmete Gidon Kremer ihr erstes Violinkonzert „Offertorium“, das er 1981 – im Gründungsjahr des Kammermusikfest Lockenhaus - im Rahmen der Wiener Fest­wo­chen zur Uraufführung brachte.
„Offertorium“ wurde einer der ersten großen Erfolge der Komponistin außerhalb der Sowjetunion und gehört heute als moderner Klassiker zum Kanon des Konzertrepertoirs für Violine und Orchester.

Sofia Gubai­du­lina Mitte der 1970er-Jahre mit ihren Kompo­nis­ten­kol­legen Wjat­scheslaw Artjomow und Viktor Suslin bei der Erpro­bung neuer Klänge (Foto: © Viktor Suslin / crescendo)

Das 14. Kammermusikfest Lockenhaus widmete Gidon Kremer in 1995 Sofia Gubaidulina und Viktor Suslin.

Kammermusik nimmt in der musikalischen Hierarchie für mich die höchste Stelle ein. Deshalb sind meine eigenen Ansprüche viel höher, wenn ich Kammermusik schreibe. Sie bildet ein Umfeld, in dem ich mir erlauben kann, noch ernstere Aufgaben auszuarbeiten”
Sofia Gubaidulina


Zahlreiche Live-Aufnahmen von dem 14. Kammermusikfest Lockenhaus sind auf der CD „Silenzio“ (BIS) verewigt und teilweise auch nachhörbar im Ö1 Nachruf vom Sa., 15.3.25.
Ö1 Nachruf: In memoriam Sofia Gubaidulina | SA | 15 03 2025 | 15:05 - oe1.ORF.at

Zum Nachhören aus der CD “Silenzio”

Das Album „Offertorium“ (Deutsche Grammophon) mit Gidon Kremer und mit Hommage à T.S. Eliot als zweitem Stück, welches Gubai­du­lina nach ihrem Aufenthalt in Locken­haus kompo­niert hatte, stieß auf begeis­tertes Echo und wurde mit zahl­rei­chen Preisen ausge­zeichnet.

Im Jahr der Übergabe des Kammer-musikfest Lockenhaus an Nicolas Altstaedt erschien 2012 bei ECM die Gubaidulina gewidmete CD „Canticle of the Sun“ mit Gidon Kremer, Nicolas Altstaedt und den Musiker/Innen der Kremerata Baltica sowie des Riga Chamber Choir, aufgenommen in Lockenhaus.

Sofia Gubaidulina: Am Rande des Abgrunds
Nicolas Altstaedt mit der Komponistin am Aquaphone

zum Video >>>

Am 13.03.2025 verstarb die Grande Dame der neuen Musik im Alter von 93 Jahren.

Die Nachricht ist gleichzeitig erwartet und erschütternd traurig.
Sofia bedeutete mir enorm viel - sie war (und das wird so bleiben) eine enorme Unterstützung auf meinem Lebensweg.
Ihre magischen Töne, mit denen sie mich und die Welt beschenkte, werden auch weiterhin jeden bereichern, der mit ihnen in Berührung kommt.
Mit vielen Werken, die Sofia mir und meiner Kremerata widmete, hinterließ sie Spuren, die immer klingen werden…
Es ist eine Musik für die Ewigkeit.
Sie selber ist vom Leiden befreit - unsere Pflicht ist es Sofias Töne weiter zutragen.

In tiefster Trauer-Ihr Gidon (Kremer)